Warum kostet ein Hochzeitsfotograf so viel?
Viele zukünftige Brautpaare stellen sich irgendwann die Frage: warum verlangen Hochzeitsfotografen eigentlich immer so viel Geld?
Vielleicht erwartest auch du, nachdem du deine Anfrage an ein-zwei Fotografen aus der Umgebung verschickt hast, dass du für 800€ ein all-inclusive Programm samt schönster Hochzeitsbilder und feinster Retusche bekommst, das ganze natürlich inklusive einer fünfzehnstündigen Begleitung. Das sind immerhin etwa 55€ in der Stunde - so deine Erwartung. Doch dann flattert das erste Angebot in dein Email-Postfach und du machst erstmal große Augen:
"Waaas!??? 2500€ für 15 Stunden Arbeit!??? Spinnt er oder was!???" Das sind 167€ in der Stunde, so viel verdiene ich an einem ganzen Arbeitstag!"
Doch schauen wir uns mal die Sache gemeinsam an.
Hochzeitsfotograf. Wie entsteht der hohe Preis?
Du gehst in die Arbeit und verdienst, nehmen wir mal an, 25€ brutto in der Stunde (naja, eigentlich mehr, weil dein Arbeitgeber für dich noch Hälfte der Sozialabgaben übernimmt, aber lassen wir das mal beiseite). Von diesen 25€ pro Stunde musst du noch die Hälfte der Sozialabgaben sowie die Steuer zahlen, netto bleiben dir davon etwa 14-15€ in der Stunde (wenn du in der Steuerklasse 1 oder 4 bist und keine Kinder hast). Das soll jetzt kein repräsentatives Beispiel sein, sondern einfach nur eine Rechnung, die durchaus realistisch ist.
Jetzt sehen wir die Sache aus Sicht eines Hochzeitsfotografen an. Ich nehme einfach mich als Beispiel :)
Du sendest mir eine Anfrage und ich nehme mir etwa 30 Minuten Zeit, um dir zu antworten. Das tue ich auch in meiner Freizeit, also auch im Urlaub, am Wochenende, vor dem Schlafen gehen... Du hast weitere Fragen und ich nehme mir wieder Zeit, diese zu beantworten. Alleine für den anfänglichen Emailkontakt habe ich bereits etwa 30 bis 60 Minuten in dich investiert.
Du hast Interesse und wir verabreden uns. Ich fahre zum Treffpunkt (15 bis 30 Minuten), verbrauche dabei in der Regel Sprit. Wir lernen uns kennen, ich präsentiere euch meine Arbeiten, Bilder, Fotobücher, USB-Sticks usw. Wir unterhalten uns über den Ablauf an eurem Hochzeitstag und wollen anschließend miteinander die Checkliste durchgehen und den Vertrag unterschreiben, damit euer Termin gesichert ist. Das braucht in etwa zwei Stunden.
Bis zu eurer Hochzeit ist es noch ein ganzes Jahr. Zwei Wochen davor meldest du dich bei mir und möchtest nochmal die Details durchgehen - 30 Minuten.
Zwei Wochen vergingen wie im Flug und der Tag deiner Hochzeit ist gekommen. Um 9 Uhr früh muss ich bei dir sein, ich muss also schon um 8 Uhr los fahren, weil ich mir immer mindestens 30 Minuten Pufferzeit lasse, es kann ja alles passieren - 60 Minuten.
Es geht los. Wir machen tolle Bilder, die Zeremonie verläuft wie am Schnürchen, die Feier ist echt lustig und nun naht der Feierabend - 15 Stunden.
Ich fahre wieder heim, wie immer total erschöpft. Der Tag war wieder mal extrem anstrengend. Die Hitze war unerträglich und die Location hatte nicht mal eine Klimaanlage. Puuuhhh... Endlich bin ich daheim angekommen - 30 Minuten.
Die nächsten Tage beschäftige ich mich mit deinen Bildern. Erstmal die 2000 Dateien auf die Festplatte kopieren, dann sortieren, korrigieren, bearbeiten, retuschieren, konvertieren.... - 25 Stunden.
Du hast ja kein Fotobuch bestellt, also muss ich zumindest da nix machen. Du wolltest ja deine Bilder nur digital auf einem USB-Stick haben, ansonsten hätte ich noch etwa 15 Stunden zusätzlich mit deinen Bildern verbracht und dir ein schönes Fotobuch kreiert. Das Fotobuch wird aber extra abgerechnet, deswegen ist es jetzt egal.
Ich bin so weit und fahre zu dir, um dir deine Bilder zu überreichen - 30 Minuten.
Wir diskutieren noch kurz über den Hochzeitstag, wie schön das alles war, erinnern uns gemeinsam an die schlimme Hitze, wie sehr wir alle an dem Tag geschwitzt haben und wie fertig wir am Schluss waren. Alles Schöne hat ein Ende - ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft, verabschiede mich und fahre wieder nach Hause - insgesamt 1 Stunde.
Hochzeitsfotograf. Der tatsächliche Verdienst.
Insgesamt komme ich auf ca. 47 Stunden, dabei habe ich stets die kürzeren Zeitangaben genommen. Doch das ist durchaus ein sehr realistisches Beispiel, so in etwa ist die Wirklichkeit.
Und jetzt rechnen wir mal nach:
2500€ : 47h = 53,19€/h - ein ganz schöner Stundenlohn, oder? Schön wär`s!
Jetzt rechnen wir weiter. Von diesem Stundenlohn müssen noch:
- Handwerkskammerbeitrag
- Webseite und das Drumherum
- Steuerabgaben
- Betriebsmittel (Auto, Sprit, Ausrüstung im Wert von 15000 Euro etc.)
- Sozialabgaben (wenn man nicht über den Arbeitgeber versichert und selbstständig ist)
- ggf. Berufsgenossenschaftsbeiträge
- Versicherungen (Rechtschutz, Haftpflicht, Versicherung der Ausrüstung)
- ggf. Miete für Studio
- Steuerberater
- etc.
bezahlt werden.
Ganz schnell landet man bei einem Stundenlohn von 20-25€ netto, je nachdem wie lange man tatsächlich für einen Auftrag benötigt hat. In meinem Beispiel habe ich absichtlich die benötigte Zeit möglichst kurz gehalten, in Wirklichkeit kommen noch andere Sachen hinzu, wie zum Beispiel die Begutachtung der Location vor der Hochzeit durch mich, die Vorbereitungen am Tag vor der Hochzeit wie Kameras checken/einstellen, Akkus laden, Speicherkarten leeren/formatieren, Koffer packen, Kleidung vorbereiten, bügeln etc.
Natürlich ist ein Nettolohn von, sagen wir mal, 25€ in der Stunde trotzdem gar nicht so schlecht, nicht jeder verdient so viel. Aber vergiss bitte nicht, wie viel Verantwortung man als Hochzeitsfotograf trägt. Du bist dann quasi eine kleine Firma und trägst somit alleine das ganze Risiko.
Ich kann manche meiner Kollegen ganz gut verstehen, warum sie mit Hochzeitsfotografie nix zu tun haben möchten. Der Job ist extremst hart und aufwendig. Das wirst du mir spätestens dann glauben, wenn du mal so eine Hochzeit für Freunde fotografiert hast ;)
Ist der Hochzeitsfotograf also wirklich so teuer?
Anderes Beispiel.
Bei mir im Haus wurde der Kanal dicht. Die Klospülung geht nicht, ich brauche einen Handwerker. Ich rufe an und bestelle mir einen. Zwei erfahrene Handwerker stehen zwei Stunden später vor der Tür und nach 45 Minuten ist mein Abwasserrohr wieder frei. Die Rechnung - 335€ inkl. Mehrwertsteuer. Rechne mal das auf eine Stunde hoch - es sind etwa 450€ in der Stunde, geteilt durch zwei Personen, ergibt 225€ Stundenlohn. Nicht schlecht, oder?
Von solchen Beispielen gibt es genug, du brauchst dich nur umzuschauen, was ein guter Handwerker kostet.
Oder fahre mal zu Audi oder BMW Werkstatt und frag mal dort nach ihrem Stundensatz. Mit viel Glück hörst du vielleicht 120, eher aber 140-150 Euro pro Arbeitsstunde.
Ich hoffe, ich konnte dich mit meinem Blogbeitrag ein bisschen aufklären. Und wenn dir deine beste Freundin, die bald heiraten möchte, auf einmal sagt, dass Hochzeitsfotografen total überteuert sind, wirst du ihr hoffentlich antworten - "Das stimmt nicht!" :)
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Ernst van Dijk (Samstag, 30 Januar 2021 15:37)
Man soll auch nicht vergessen, dass Fotografen nicht ständig Aufträge haben. Zwischen Aufträgen hat der Fotograf manchmal nichts zu tun und verdient dann also auch nichts.
DerThorsten (Sonntag, 18 April 2021 00:25)
wie wahr, wie wahr.
Und bei all dem bleibt noch unberücksichtigt, welche Verantwortung der Hochzeitsfotograf hat, denn das Brautpaar verlässt sich darauf, dass er perfekte Bilder liefert. Der emotionale Stress für den Fotografen ist alles andere als gering, er MUSS liefern, egal, wie er sich fühlt, wie es ihm geht, er muss sich ins Hochzeitspaar "hineindenken", muss mit ganzem Herzen bei der Sache sein -ganz anders als ein Klempner oder ein Automechaniker. Solche Aufträge werden im nahen Ausland (Spanien/Italien) mit dem dreifachen Preis berechnet und niemand macht sich dort Gedanken darüber.